30 Juni 2022
LACROIX SAE IT
VeN²uS? Ein neues ESA-Projekt? Nein, weit gefehlt, aber ein Blick auf die Namenspatin des Projektes gibt einen interessanten Einstieg. Die Venus gilt als Schwesterplanet der Erde. Sie ist fast genau so groß und ihre Umlaufbahn ist nur 40 Millionen Kilometer von jener der Erde entfernt. Allerdings entwickelten sich beide Planeten höchst unterschiedlich: während auf der Erde sich die uns heute vertraute Vielfalt an Organismen entwickelt hat, sorgt auf der Venus ein, auch uns nicht unbekannter Effekt für eine Oberflächentemperatur von 470 Grad Celsius. Auf der Venus herrscht ein extremer Treibhauseffekt.
Natürlich hinkt dieser Vergleich, verdeutlicht aber in einem Extremum die Bedeutung der erneuerbaren Energien im Energie-Mix der Zukunft. Mit steigender Gewichtung steigen auch die Herausforderungen für die Netzstabilität. Durch die zunehmende Integration dezentraler Erzeugungsanlagen (DEA) entstehen neue Einspeisepunkte in der Verteilnetzebene, die dort Netzengpässe und Leistungsflussverschiebungen hervorrufen können. Rückspeisungen in die überlagerte Netzebene und häufige Netztopologieänderungen sind dabei heute schon notwendig. Sollten nicht beherrschbare Zustände für das vorhandene Schutzkonzept erkannt werden, ist ein schnelles Handeln erforderlich und die DEA müssen abgeregelt werden.
Genau hier setzt das Forschungsprojekt VeN²uS (VerNetzte NetzschUtzSysteme) an. Digital vernetzt und flexibel anpassbar soll das Forschungsprojekt mehr Kapazitäten für den Transport von grünem Strom schaffen und die Versorgungssicherheit im Netz der Zukunft auch bei schwankender Einspeisung der Erneuerbaren sicherstellen. Das Ziel des Forschungsprojekts ist die Entwicklung und Umsetzung eines adaptiven und vernetzten Netzschutzsystems, das im Fall von Leistungsflussverschiebungen und Topologieänderungen die Schutzparameter anpasst und den sicheren Betrieb gewährleistet.
Das Projektteam bestehend aus zwei Verteilnetzbetreibern, jeweils einem Leitsystem-, Kommunikationstechnik-, Schutzgeräte- und Schutzprüfgerätehersteller sowie einem Softwareentwickler für die Digitalisierung des Verteilnetzbetriebs und vier universitären Partnern. Diese Kooperation soll unter der Leitung der Schleswig-Holstein Netz AG (SH Netz) in den nächsten drei Jahren ein solches innovatives Netzschutzsystem entwickeln und erproben. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im 7. Energieforschungsprogramm und ist mit einem Projektbudget von über acht Millionen Euro ausgestattet. SAE IT-systems ist einer von 11 Partnern, die das interdisziplinär aufgestellte Projektteam bilden.
Produktmanager Christof Maahsen, verantwortlicher Projektleiter für das Forschungsprojekt bei SAE IT-systems, erläutert: „80% der in Deutschland benötigten Energie sollen bis 2050 aus erneuerbaren Energieträgern bereitgestellt werden. Dass dies nur mit einer deutlichen Veränderung der bestehenden Infrastrukturen zu erreichen ist, liegt auf der Hand. Digitale Sicherheitskonzepte sind für dieses zukünftige Stromnetz unverzichtbar. Im VeN²uS Projekt werden die Stärken der einzelnen Partner vernetzt. Das neue Netzschutzsystem soll die Datenströme
zentral zusammenlaufen lassen und automatisiert neue Einstellparameter berechnen, die zur aktuellen Netzsituation passen. Dazu entwickelt das Projektteam zunächst einen adaptiven Netzschutzalgorithmus, mithilfe dessen das System ständig dazulernen kann. Parallel werden resiliente und zuverlässige Kommunikations- und Schutzprüfkonzepte erforscht. Wir sind sehr stolz Teil dieses zukunftsweisenden Projektes zu sein.“
Die entwickelte Lösung wird nicht nur wie üblich im Labor getestet, sondern auch erstmalig in Deutschland im flächendeckenden Feldversuch in einem realen Verteilnetzgebiet von SH Netz erprobt. Dabei wird das neue Netzschutzsystem parallel zu den in den Umspannwerken und Schaltanlagen bestehenden Schutzeinrichtungen installiert. So wird sichergestellt, dass das neue System die tägliche Netzführung nicht beeinflusst und dennoch unter Realbedingungen getestet werden kann.
Erhofft wird, dass sich das System neben den positiven Beiträgen für Energiewende und Versorgungssicherheit auch positiv auf die Effizienz sowie Betriebsmittelauslastung auswirken wird.